6.00 Uhr und der Tag hatte uns wieder. Voller Vorfreude packten wir unsere Rucksäcke und waren pünktlich um 7.00 Uhr beim Frühstück im Furtschaglhaus.
Mit am Tisch saßen Beate und Michael, ein Pärchen aus Radebeul die wir bereits auf der Olperer Hütte kennen gelernt hatten. Ohne es zu verabreden, ergab es sich, dass wir in den folgenden Stunden immer in Sichtkontakt sein sollten.
Um 8.00 Uhr standen wir bei strahlendem Sonnenschein vor der Hütte und schauten hinauf in Richtung Gipfelkreuz. Unser nächstes Etappenziel war das Schönbichler Horn in 3.134 Metern Höhe. Zwischen uns und dem Gipfel lagen Geröllfelder, die sich später als spitze Steinplatten herausstellten und viele aneinander gereihte große Schneefelder.
Uns war klar, dass die folgenden 839 Höhenmeter eine schöne Herausforderung werden würde.
Gut gestärkt, mit bester Laune und bei optimalen Wetterverhältnissen ging es wieder bergauf.
Die Hütte unter uns wurde immer kleiner und die Luft immer dünner. Die erste Zeit liefen wir noch über Bergwiesen und genossen die traumhafte Aussicht. Nach einiger Zeit erreichten wir die Schneegrenze. Dort hieß es dann besondere Vorsicht walten zu lassen, denn Schneefelder haben ihre eigenen Tücken.
Jörg hatte mit dem Aufstieg im Schnee und über die Steinfelder einige Schwierigkeiten. Wie bereits beim Aufstieg zur letzten Hütte, suchte sich jeder sein „Aufstiegstempo“ und wir trafen uns in unregelmäßigen Abständen und warteten aufeinander. Nach einiger Zeit bekam unser „Schlusslicht“ Jörg Besuch von Beate und Michael. Sie sind kurz nach uns auf der Hütte gestartet und hatten uns langsam eingeholt.
Der Aufstieg durch den Schnee zehrte an den Kräften und irgendwie war es fast eine Erleichterung, als wir vor einem riesigen Geröllfeld standen, dass aus großen und kleinen Steinplatten bestand, die teilweise bis zu 90 Grad vom Fels abstanden. Ab dort gab es eine Seilsicherung für den weiteren Aufstieg. Mit Händen und Füßen bergauf, für drei von uns ein Glücksgefühl und für einen von uns. . . .
Stefan, unser „Gasttrekker“ war in bester körperlicher Verfassung und war meist als Vorposten unterwegs. Somit hatte er leider auch die längsten „Wartezeiten“. Positiv gesehen hatte er aber auch die meiste Zeit um die grandiose Aussicht zu genießen.
Nach drei Stunden war es soweit, um 11.00 Uhr standen wir direkt am Gipfelkreuz und waren voll gepumpt mit Adrenalin und Endorphinen.
Der Weitblick vom Schönbichler Horn über die Bergketten wurde nur durch die Erdkrümmung beschränkt, so klar und sauber war die Luft dort oben. Nach einer ausgiebigen Pause und zahlreiche Fotos später, stand der Abstieg an. Jörg bekam Zweifel, ob er es schaffen würde. Er fühlte sich sehr unsicher zwischen den Felsen und hatte Angst einen falschen Schritt zu machen.
Da kam sein persönlicher „Schutzengel“ Michael gerade richtig. Er hatte in seinem Rucksack ein Klettergeschirr, dass er Jörg anbot. Dankend nahm Jörg das Geschirr an und so konnte auch er den Gipfel Stück für Stück hinter sich lassen.
Auf der anderen Bergseite, auf der die Tour weiter führte, war die geologische Beschaffenheit nicht anders als beim Aufstieg. Mit der nötigen Konzentration schafften es alle, diese anspruchsvolle Passage durch das extrem zerklüftete Gelände unbeschadet zu überwinden.
Michael führte Beate und Jörg souverän hinunter.
Als nächstes folgten wieder die Schneefelder, die Beschaffenheit des „Eisschnees“ war sehr unterschiedlich. Zum größten Teil war es so hart, dass man ohne Schwierigkeiten darauf laufen konnte. An anderen Stellen war es wieder so weich, dass wir bis zum Oberschenkel einsanken. Anspruchsvoll und schön, Eindrücke, die einem niemand mehr nehmen konnte.
Langsam verließen wir die Schneegrenze und das Landschaftsbild änderte sich von weiß auf grün.
Die Wartepausen auf die „Nachzügler“ wurden unterschiedlich genutzt. Zum einen für ein schönes Sonnenbad und zum anderen um die tolle Aussicht zu genießen.
In der Ferne war auf der anderen Hangseite unser Tagesziel zu sehen – die Berliner Hütte.
Bis dahin lag jedoch noch ein ganzes Stück Weg und etliche Höhenmeter vor uns.
Überall aus den Schneefeldern rannen kleine Schmelzbäche ins Tal, die sich vereinten und zu deutlich größeren Bächen wurden.
Nach 4 ½ Stunden Abstieg hatten wir die Berliner Hütte erreicht und schauten stolz zurück auf das Bergmassiv, das wir überquert hatten.
Die 1878 erbaute Berliner Hütte hat einen ganz besonderen Charme. Sie hatte nichts von der Gemütlichkeit kleiner enger Schutzhütten, die irgendwo an den Hängen oder kleinen Tälern im alpinen Bereich zu finden waren.
Diese Hütte hat schon fast eine majestätische Ausstrahlung, wenn man ihre Türschwelle überschritt. Das kaiserliche Ambiente das der deutsch-österreichische Alpenverein Sektion Berlin beim Bau der Hütte eingefangen hatte, wirkt noch heute auf jeden, der die Hütte das erste Mal betrat.
So pompös die Gaststube war, so rustikal waren die Zimmer. Wir hatten zwei Zimmer, die neben den Betten, ein kleiner Schrank und Tisch mit 2 Stühlen zweckmäßig eingerichtet waren.
Die Rucksäcke wurden nur schnell abgestellt und wir trafen uns auf der Terrasse, um in der Sonne ein frisches kühles Bier zu genießen. Aus dem Liegestuhl blinzelten Oli und Thorsten hinauf zum Gipfel des Schönbichler Horns und fanden immer wieder Passagen, die es wert waren noch einmal besonders erwähnt zu werden.
Die Sonne verschwand hinter den Bergen und wir machten uns fertig zum Abendbrot. Mit uns war unter anderem eine Schulklasse in der Hütte untergebracht. Das machte die Sache beim Duschen etwas anstrengend, aber wir hatten ja Urlaub und so ertrugen wir geduldig die Wartezeit, bis wir duschen konnten.
Beim Abendbrot saßen wir wieder mit Beate und Michael zusammen und es gab viel vom Tag zu erzählen. Wie sollte jedoch der letzte Tag gestaltet werden? Es gab die Möglichkeit, direkt von der Hütte in einer ca. 3-stündigen Wanderung hinunter durch den Zemmgrund zum Gasthof Breitlahner abzusteigen oder erst hinauf über die Möhrchenscharte und anschließend durch den Floitengrund abzusteigen. Diese Tour wurde mit ca. fünf Stunden angegeben.
Für Jörg und Beate stand fest, den kürzeren Weg zu nehmen. Stefan und Oli wollten unbedingt noch den „Abstecher“ über die Möhrchenscharte machen. Michael fand die Idee sehr interessant und wollte sich ebenfalls anschließen. Thorsten entschied sich nach einigen Überlegungen auch für den kürzeren Abstieg.
Oli, Stefan und Michael sprachen sich für den nächsten Tag ab und klärten mit dem Hüttenpersonal, ob der Pfad begehbar war. Da wir noch zurück nach Berlin fahren mussten, war klar, dass die Drei deutlich früher aufbrechen mussten, um die erheblich längere und anspruchsvollere Tour zu schaffen. Auch Thorsten, Jörg und Beate besprachen das Vorgehen, für den nächsten Tag.
Noch ein Schlummertrunk und alle schliefen zufrieden in Ihren Betten ein.